Sonntag, 16. Oktober 2022

 

16. Oktober 2022

Es gibt Dinge im Leben, die für uns ganz selbstverständlich sind wie beispielsweise eine Türfalle bedienen, den Lichtschalter betätigen oder einen Wasserhahn zu öffnen, resp. zu schliessen. Irgendwann haben wir als kleine Kinder uns diese Fähigkeiten angeeignet ohne sie bewusst zu erlernen. Hier erleben wir immer wieder wie viele Menschen nicht über den uns vertrauten Erfahrungshintergrund verfügen. Wie sollen sie auch, wenn in ihren Kimbos weder Elektrizität noch fliessendes Wasser vorhanden sind und ihre Hütten meist mit einem Vorhängeschloss gesichert werden. Fenster gibt es oft auch keine und wenn, sind sie klein und fix, also nicht zum Öffnen; meist ist die (Fenster)öffnung einfach durch Gitterstäbe gesichert. So, kommt es, dass wir sogar im Knabeninternat die Erfahrung machen mussten, dass wir es versäumt hatten, den Buben eine genaue «Betriebsanleitung» für die Infrastruktur zu geben. Resultat ist nun eine abgebrochene Türklinke, ein defekter Wasserhahn (mit Kraft auf die falsche Seite gedreht) und sonst noch verschiedene Kleinigkeiten. Auch das Sauberhalten muss eingeübt werden; es ist nicht mehr einfach nur ein Wischen des gestampften Lehmbodens mit einem aus ein paar Stauden zusammen gebundenen Besen. Der bekannte Einwand: «lasst sie doch leben, wie sie es gewohnt sind», mag schon eine gewisse Berechtigung haben, doch erachte ich die Erziehung der internen Schüler in diesen Belangen als eine Lebensschulung, denn später werden sie mit Sicherheit mit unserer Zivilisation konfrontiert und als Erwachsener ist es oft schwieriger, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Zudem werden ihnen viele Möglichkeiten ohne den entsprechenden Erfahrungshintergrund verschlossen bleiben. Die Erfahrung zeigt uns, dass bei vielen Jüngeren der Wille, Neues zu erlernen durchaus vorhanden ist, so kann meine Haushalthilfe unseren grossen Gasherd nun problemlos bedienen und auch übrige Haushaltarbeiten erledigt sie zuverlässig, doch auch ihr musste ich die WC-Spülung im neuen Posto medico erklären, denn sie hat in ihrem Leben noch nie ein solches WC benutzt. Am meisten erstaunt war sie, dass das Wasser automatisch nachfliesst und stoppt, wenn der Tank voll ist. 

Nicht nur auf dem Land fehlt oft fliessendes Wasser, auch die Menschen vieler bairros in der Stadt klagen über mangelhafte oder fehlende Wasserversorgung. So hatte vorhin unser Maler ein Telefongespräch mit seiner Frau, in welchem sie sich beklagte, dass das Geld für das Wasser aufgebraucht sei und sie mit dem neugeborenen Kleinen und den 3 weiteren Kindern doch dringend auf Wasser angewiesen sei. Die Familie muss alles Wasser vom Zisternenwagen kaufen, welcher ca. 200 m von ihrem Haus entfern anhält. Den Transport der benötigten Tagesmenge in einem Mal vom Zisternenwagen zum Haus zu schleppen schafft die Frau nie und nimmer. Deshalb erledigen zwei Jungs diese Arbeit, die damit etwas für ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Doch schlägt sich dies wiederum im Budget der Frau zu Buche, welches sowieso schon ungenügend ist. Wie ihr seht, existieren sowohl in der Stadt wie auch auf dem Land Lebensumstände, die uns fremd sind.

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