11.September 2016
Aus der vergangenen Woche möchte ich spontan drei
Begegnungen herauspicken:
Josefina: Wenn
Josefina ins Nähatelier kommt, weiss ich meistens, dass sie etwas auf dem
Herzen hat. So auch diesmal. „Tia, ich habe von meinem letzten Zahltag einen
Sack Reis (25 kg – 8500.-) und eine Schachtel Öl (12 Flaschen 9000.-) gekauft.
Jetzt habe ich nichts mehr und meine Kinder brauchen dringend Schuhe“. Da muss
ich nicht einmal 1+1 zusammenzählen können um zu wissen, dass der Zahltag kaum
für das Gekaufte gereicht hat. Freilich könnte man dem entgegen halten, nur
geringe Mengen zu kaufen, was aber beträchtlich teurer ist. Zudem muss sie nun –
selbst Witwe mit 4 Kindern- noch zusätzliche Mäuler stopfen, da die 4 Kinder
ihrer kürzlich verstorbenen Schwester an 3 Tagen der Woche bei ihr wohnen. Die
engen Platzverhältnisse zum Schlafen hat sie nicht einmal erwähnt. Dass die
Kinder für den weiten Schulweg über Stock und Stein und vor allem bei den
morgendlichen Temperaturen Schuhe brauchen, liegt auch auf der Hand.
Chinese: Von ihm
kenne ich leider den Namen nicht. Wie so viele Landsmänner, die nicht mehr
unter Vertrag stehen, aber auch nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, hat er
selbst ein kleines Geschäft für Schweissarbeiten eröffnet. Willi liess bei ihm
für das Mädcheninternat der Pastorinhas 8 grosse Doppelregale anfertigen, die
dann noch mit Farbe behandelt werden müssen und in welche schliesslich in den
dafür vorgesehenen Höhen Holztablare gelegt werden. Allein schon die
Arbeitsweise dieses Mannes ist erstaunlich, schweisst er doch alle Teile in „Hockstellung“
auf dem Boden, was mich nur schon vom Zuschauen meine Bein- und
Rückenmuskulatur spüren lässt. Tatsache ist, dass alle Chinesen und Vietnamesen
am Boden arbeiten. Überrascht waren wir aber als er am Samstag anrief, die
Regale seien abholbereit und darauf beharrte, dass sie noch am selben Tag
abgeholt werden müssen, wir also nicht bis Montag zuwarten können. Den Grund
dafür erfuhren wir, als wir nach Organisieren eines kleinen Lieferwagens bei
ihm eintrafen. Hinter seinem Raum, der ihm als primitives Atelier dient,
befindet sich noch ein weiterer kleinerer Raum, der ihm als Schlafzimmer dient
und in welchem er 6 dieser Regale gestellt hatte, so dass er nur unter Verrenkungen
in sein Bett kriechen konnte. Wenn das kein Kundenservice ist!
Fernando: Eines
morgens rief mich Juliana, um einen Verband anzulegen. Vor mir stand ein
schmächtiger ca. 8-jähriger Knabe mit seiner Mutter, die noch ein Kleines auf
dem Rücken trug. Nachdem Fernando seine Mütze abgezogen hatte und nach
Entfernen einer Kompresse zeigte sich an seiner linken Kopfhälfte eine grössere,
zum Teil noch offene Wunde, ebenso am oberen Teil des Ohres, die angeblich von
einer Verbrennung herrührten. Im Gespräch erfuhr ich den eigentlichen Grund
seines Kommens. Der Knabe war infolge schwerster Verbrennungen (ganzer
Brustkorb, Hals und Kopfhaut) seit April hospitalisiert gewesen. Vor 3 Tagen
wurde er entlassen und sollte nun zum Verbandwechsel alle 2 Tage den weiten
fast 10 km langen Weg in die Stadt zurücklegen. Zudem musste er auch das nötige
Verbandmaterial, Salbe, Handschuhe für den Verbandwechsel sowie die nötigen Antibiotika
selbst mitbringen, wofür jedoch die Mutter das Geld nicht aufbrachte, ebenso
wenig wie für den häufigen Transport in die Stadt. Nachdem ich den Knaben neu
versorgt und der Mutter alles Verlangte eingepackt hatte, habe ich mit ihr
vereinbart, dass sie sich bei der nächsten Vorstellung im Spital abmeldet und
wir die weitere Behandlung übernehmen. Die Wunde am Kopf ist sauber und dürfte
sich bald vollständig schliessen. Das grosse Problem sind jedoch die Narben.
Brustkorb und Hals sind wohl verheilt, doch haben sich vor allem im Halsbereich
massive Keloide gebildet, so dass der Kleine den Kopf nicht mehr problemlos
bewegen kann. Zudem ist das betroffen Ohr am Kopf angewachsen. Wir denken
Fernando gelegentlich im Kanadischen Missionsspital vorzustellen, um mögliche
nötige Korrektur-Operationen abzuklären.
Vielleicht noch ein unverständliches Detail: Eine Nachbarin
hatte heisses Öl aus dem Fenster geschüttet als der Knabe unten vorbeisprang!
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