22. Oktober 2017
2 Welten – verschiedene Kulturen – unterschiedliche Denkweisen.
Oft stosse ich auf solche Gegensätze und nicht immer sind sie einfach
einzuordnen, denn wer von uns könnte sich noch vorstellen, auf Dauer in einer
Hütte oder Bruchbude zu wohnen, das Wasser oft Hunderte Meter auf dem Kopf nach
Hause zu tragen, die Mahlzeiten auf offenem Feuer zuzubereiten, die Wäsche im
Fluss oder Ende der Trockenzeit in einem Tümpel zu waschen – und trotzdem
einigermassen fröhlich durch den Alltag zu gehen? Gerade auch in der Denkart
zeigen sich Unterschiede, so beispielsweise im Setzen von Prioritäten; auch ist
bei Vielen die Geschlechterrolle noch sehr zementiert, so hat die Frau in die
Ehe mitzubringen, was sie im Haushalt braucht, nach unseren Vorstellungen
vielleicht nicht mehr als wir für ein Zeltlager benötigen, während der Mann für
ein Dach über dem Kopf verantwortlich ist. Dass unsere Überlegungen wohl ganz
anders geprägt sind, zeigte sich mir diese Woche erneut, als wir die Kapelle im
Kimbo von Tarcisio mit Farbe anstrichen. Bei dieser Gelegenheit schaute eine
Verwandte von Tarcisio vorbei und bat um einen leeren Farbeimer, resp. zwei,
wenn’s möglich wäre, denn ihre Tochter hätte letzte Woche geheiratet und es
fehle ihr ein Eimer für den Wassertransport. Ich glaubte mich verhört zu haben,
denn mein europäisches Denke ging gleich in die Richtung: wie kann ich eine
Heirat eingehen, wenn ich mir keinen Wassereimer leisten kann, wie versorge ich
dann die Kinder, die sich in der Regel rasch mal eines nach dem andern
einstellen? Die Regel ist zwar eher, dass vor einer Heirat meistens ein, wenn
nicht mehrere Kinder vorhanden sind, was eine bessere Dauerhaftigkeit einer Ehe
bedeutet, da Kinder für den Mann Reichtum bedeuten. Er könnte sich also keine
kinderlose Ehe vorstellen, auch wenn er die Sorge um die Kinder vielfach ganz
der Frau überlässt. Ebenso identifiziert sich die Frau in erster Linie über ein
Kind, weshalb auch invalide Frauen mindestens ein Kind haben, was übrigens auch
für den Mann gilt. Auf dem Land wurden und werden die Kinder immer noch für
Feldarbeiten und Viehhüten gebraucht, während in der Stadt natürlich viele auf
der Strasse herumlungern.
Freilich muss ich hinzufügen, dass es auch hier Menschen mit
hohem Wissensniveau gibt, Menschen, welche Probleme und Zusammenhänge erkennen
und welche auch oft von unserer Kultur und unseren Gepflogenheiten Kenntnis haben,
ohne dabei aber ihre eigene Kultur und Tradition zu negieren. Denn letzteres
oft die grosse Gefahr, dass mit der die Menschen überrollenden Moderne die
eigene Kultur und Tradition verlorengehen, wofür besonders auch die moderne
Technik mitverantwortlich ist, sind doch auf der Mehrzahl der Hütten und
Bruchbuden Parabolspiegel angebracht, über welche die Novelas in die „Häuser“
ausgestrahlt werden, um den Leuten ein trügerisches Bild der „zivilisierten“
Welt vorzugaukeln. Dass eben auch im eigenen Land zwei Welten herrschen, zeigte
letzthin in unserem Bildungszentrum die Diskussion um einen besseren
Internetzugang, da bei verschiedenen Gruppen doch auch Teilnehmer mit Laptops
anreisen und ausserdem auch einen permanenten Stromanschluss benötigen für
eventuelle Power Point-Präsentationen. Dieser Graben wird statt schmäler nur
breiter, denn in letzter Zeit hat sich die Situation unserer Stromversorgung
verschärft, da noch weniger Treibstoff auf dem Markt ist. Grund dafür sollen
Differenzen auf höchster Regierungsstufe sein. Der ehemalige Präsident hat vor
einiger Zeit das Präsidium von Sonangol (gr. Ölfirma) seiner Tochter
übertragen, die übrigens als erste Milliardärin von Afrika auch die reichste
Frau dieses Kontinents ist sowie den damaligen kompetenten Direktor abgesetzt.
Der jetzige neue Präsident hat nun ohne Absprache besagten Direktor
zurückgeholt, was zur erwähnten Auseinandersetzung führt, mit dem Resultat,
dass Sonangol die Lieferung ins Land drosseln muss, um den Präsidenten unter
Druck zu setzten; soweit wenigstens die Angaben aus Oppositionskreisen.
Dass wirklich Treibstoff fehlt, zeigen ausser den vielen Stromunterbrüchen auch immer wieder geschlossene Tankstellen, mal gibt es Diesel, mal Benzin, mal gar nichts. So konnte auch der Cousin von Tarcisio kein Benzin auftreiben für seine Motorpumpe, die er zur dringenden Bewässerung der neuen Saat hätte einsetzen müssen. Die einzige Möglichkeit war noch nach Condenga zu gehen. Unsere Frage, wo dieser Ort sich befinde, wurde mit einem Lachen quittiert, denn es handelt sich dabei nicht um einen Ort, sondern um den Schwarzmarkt. Da kannst du noch zu massiv erhöhten Preisen Treibstoff bekommen, der vorher von der Tankstelle dahin „geliefert“ wurde. Den Erlös werden sich wahrscheinlich der Tankstellenwart und der Schwarzmarkthändler teilen. Auch das ist Afrika!
Im Angang einige Bilder aus den zwei Welten:
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Benguela |
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Kreisel in Benguela |
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Quartier in Bengulea |
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Quartier in Benguela |
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Quartier in Benguela |
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Markt in Benguela |
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Markt in Benguela |
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Markt in Benguela |
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Markt in Benguela |
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Bad auf der Veranda |
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Kimbo (Dorf) in Loyeletete |
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Haus und Kapelle in Loyeletete |
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Kapelle in neuem Glanz |
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Holzkohle zum Verkauf am Strassenrand
(Abholzung!!!) |
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