21. Oktober 2018
Schon ist wieder Sonntag. Die Wochen
vergehen wie im Flug und so auch die Zeit. Es ist mir wieder bewusst geworden,
als ich im WhatsApp die Meldung sah, dass das älteste Urgrosskid meiner Eltern
diese Woche volljährig geworden ist. Zeit ist eben schon ein relativer Begriff!
Einerseits rennt sie uns davon, überrollt hier in Afrika Menschen, teils ohne
Schulbildung mit modernster Technik und Informatik, während sie andererseits vergeblich
Tag für Tag auf Verbesserung ihrer Lebensumstände warten. Oft wird mir in
letzter Zeit aber auch bewusst, wieviel Zeit Veränderungen brauchen und
manchmal ist es für uns auch nicht einfach nachvollziehbar, wieso es so harzt.
Da Zeit in Afrika ja sowieso einen anderen Stellenwert hat – der Afrikaner
hetzt höchstens, wenn er hinter dem Steuer sitzt, wo er dann gefährlich auf das
Gaspedal drücken kann – warten allzu viele Menschen darauf, dass Veränderungen (nur)
durch den Staat erfolgen. Obwohl heute bereits laut und öffentlich Kritik an
Verantwortlichen geübt wird, ist der Afrikaner grundsätzlich doch sehr Obrigkeitshörig
und akzeptiert Vieles als gegeben. Daher mangelt es oft im Einsehen, dass
Schritte in Richtung Verbesserung bei jedem Einzelnen beginnen müssten. Wir
Europäer haben da halt oft andere Vorstellungen; zudem haben wir Mühe damit,
dass Veränderungen Zeit kosten. Allerdings muss ich zugestehen, dass die ersten
Schritte dazu oft äusserst mühsam sind, vor allem für jemanden der gar nichts besitzt.
Was soll ich denn von Hygiene predigen, wenn jeder Liter Wasser mühsam
herangeschleppt werden muss! Oder wie soll unter solchen Umständen eine kleine
Gemüserabatte beim Haus angelegt werden? Und ist die Versuchung bei den
Marktfrauen nicht gross, alles Gemüse oder sämtliche Früchte welche sie in der
Früh beim Grosshändler gekauft haben abzusetzen, um mit dem Geld Gas zu kaufen,
um wenigstens eine warme Mahlzeit zubereiten zu können oder das Schulgeld für
die Kinder zu begleichen oder dringend nötige Medikamente zu erstehen? Öfters
werde ich um Unterstützung angegangen, weil gar nichts mehr im Haus vorhanden
ist, weder Kohle, Gas, noch Maismehl. Da ist guter Rat teuer, geschweige Tips
in Richtung Verbesserung der Lebensumstände. Erschwerend hinzu kommt in letzter
Zeit die massive Abwertung der einheimischen Währung, was freilich eine
Verteuerung der Lebensmittel (die ja zum Teil auch importiert werden) zur Folge
hat bei ständig gleichbleibenden, im Ursprung schon miserablen Löhnen für
niedrige Arbeit. Doch dass dort, wo nach unserem Ermessen (freilich wieder
europäische Vorstellung!) eine Verbesserung möglich wäre, kein Umdenken stattfindet,
kostet oft Energie. Zum Glück helfen uns über solche Situationen immer wieder
Aufsteller, die wir trotz allem erleben dürfen, wenn beispielsweise José eine
eigene optimale Lösung für ein technisches Problem realisiert (viel weniger
kompliziert als es Willi sich im Kopf zurecht gelegt hat!) oder Joaquina immer
wieder nachfrägt, wann ich im Nähatelier anzutreffen bin, damit sie möglichst
alle Geschwister mit selbst genähten Kleidern eindecken kann. Nicht zu
vergessen die vielen Frauen in den Nähkursen, denen die Freude ins Gesicht
geschrieben steht, wenn sie etwas selbst Genähtes mit nach Hause nehmen können
oder die Arbeiter in unserer Schreinerei die sich immer mehr zu perfekten
Fachmännern mausern.
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