17. Februar 2019
Vor mir auf dem Pult steht eine Holzfigur, geschnitzt von
einem einfachen Künstler. Die Figur ist unter dem Namen „Der Pensador“ – der Denker
– in Angola sehr bekannt und hat eine Bedeutung ähnlich einem Banner, also fast
eine nationale Stellung. Der Ursprung ist mir nicht genau bekannt, doch finde
ich, die Figur spiegelt so Vieles von der Situation des Landes wider. Da sitzt
dieser Denker in der Hocke, einer typischen Haltung der Einheimischen, z.B.
beim Feuer oder beim Steine-Spiel, den Kopf schwer in die Hände gestützt und
die Arme auf die Knie abgestellt. Seine Haltung deutet auf viele, teils auch
schwere Gedankengänge hin. Was mag ihm alles durch den Kopf gehen, von
alltäglichen Problemen der Menschen in diesem Land bis hin zur politischen
Ebene? Wird der neue Präsident die Dinge in den Griff bekommen? Kann er das in
unglaublich hohen Beträgen ins Ausland geschaffte Korruptionsgeld wieder ins
Land holen? Bringt er eine korruptionsfreie Regierung zustande bis hinaus in
die lokalen Behörden? Wie kann er das Vertrauen ausländischer Investoren
gewinnen, um endlich mehr Arbeitsplätze zu schaffen für die stets wachsende
Zahl der Arbeitslosen, um so auch die hohe Kriminalitätsrate zu senken? Wie
sollen die vielen Kranken vertröstet werden, wenn es in den Spitälern an
Medikamenten und gut ausgebildetem Personal fehlt oder dieses vergeblich auf
das immer wieder versprochene Salär wartet? Wie sieht die Zukunft aus für die
schätzungsweise 2 Mio. Kinder, die nicht zur Schule gehen, weil entweder der
Schulweg nicht zumutbar ist oder kein freier Schulplatz zur Verfügung steht so
wie auch für die vielen Jugendlichen, die nicht ihren Berufswunsch realisieren
können, sondern einfach den noch freien Studienplatz belegen müssen, sofern sie
ihn ohne „guten Götti“ überhaupt ergattern? Kann der Pensador sich auch einen
Reim machen über die vielen täglichen Ungerechtigkeiten, unter denen die
Menschen leiden, manchmal auch in kirchlichen Kreisen? Kann er sich in Gedanken
auch in eine Mutter versetzen, welche von ihrem Mann verlassen wurde und die
nicht weiss, was sie kochen soll, weil sie vor leeren Töpfen steht? Weiss er,
warum wir in der 2-Millionen-Stadt Lubango zurzeit kein neues Ventil für eine
Gasflasche finden, während es in Luanda Geschäfte mit teuren Möbeln gibt und
auch hier teure Kleider und Schuhe zu kaufen sind? Oder kann er sich
vorstellen, warum in letzter Zeit so häufig ohne für uns ersichtlichen Grund
der Strom ausfällt oder ist das vielleicht nur unser Problem? Die Liste solcher
Gedanken, die der Pensador in seinem Kopf wälzt, könnte noch beliebig
fortgesetzt werden. Ich hoffe einfach, dass seine schweren Gedanken auch durchlüftet
werden von den vielen schönen Dingen im Lande, angefangen von den strahlenden
Sonnenaufgängen über den Gesang der Vögel und die fröhlichen Stimmen spielender
Kinder bis hin zu den Menschen, die einander unterstützend zu Seite stehn.
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