Sonntag, 25. Januar 2015


25. Januar 2015 

Heute habe ich mir vorerst gedacht, was mag wohl die Menschen in Europa vom Leben hier noch interessieren? Bei diesen Überlegungen ist mir aufgefallen, dass einerseits Vieles für uns Alltag geworden ist. So ist es nichts Aussergewöhnliches mehr, in der Stadt Menschentrauben vor einem offiziellen Büro anzutreffen, die beispielsweise auf eine ID warten, von denen vielleicht 15 pro Tag ausgestellt werden, aber Hunderte darauf warten. Andere stehen an, um ihre Kinder zum Schulbesuch eintragen zu lassen, was jedes Jahr rechtzeitig neu geschehen muss, um einen Platz zu sichern oder andere reihen sich in die Schlange zur Imatrikulation an der Universität, denn an weiteren Ausbildungsstätten fehlt es ja überall im Land. Oft stehen auch Männer gruppenweise am Strassenrand, um ihrerseits von einem Unternehmen für einen Tagesjob angeworben zu werden. Warten ist also eine Tugend, die du, sofern sie dir nicht angeboren ist, spätestens in Afrika lernen musst; wir warten übrigens auch noch um unsere Visumsverlängerung, die wir Ende Dezember eingereicht haben (unser Visum ist am 13. Jan. abgelaufen). 

Andererseits um auf die eingangs erwähnten Überlegungen zurückzukommen, werden wir manchmal einfach dermassen von Arbeit zugedeckt, dass wir Gefahr laufen, die Ereignisse des Alltags einfach so passiv an uns vorbeiziehen zu lassen, ohne sie mit der nötigen Aufmerksamkeit wahrzunehmen. Manchmal ist es einfach auch etwas schwierig, sich abzugrenzen, so beispielsweise am Montag, als morgens ein Dutzend Jungs und Mädchen vor meiner Tür standen, weil sie endlich mit dem Nähkurs fortfahren möchten. Ich brachte es wieder mal nicht übers Herz, sie wieder nach Hause zu schicken (was ich Ende der Woche mit einer weiteren Gruppe dann doch tun musste), hatten sie doch schon einen längeren Fussmarsch hinter sich. So habe ich denn spontan meine Gartenarbeit auf den Dienstagmorgen verlegt. Am Dienstagnachmittag hat sich die Zahl der Nähfreudigen dann allerdings noch etwas aufgestockt und wenn dann alle gleichzeitig deine Hilfe in Anspruch nehmen möchten, weil auch im Nähen noch kein Meister vom Himmel gefallen ist, übersteigt dies auch meine Kapazität. Wenn sie aber schlussendlich mit einer selbst gefertigten Shorts oder einem einfachen Jupe herumtanzen, hat sich die Arbeit halt doch gelohnt. Wenn nach den Hauptferien im Februar der Schulunterricht wieder beginnt, ist eine Einhaltung der eingeschriebenen Interessenten auch leichter durchzusetzen als während der Ferien, wo viele Kinder in den Stadtvierteln nichts Vernünftiges anzufangen wissen mit ihrer Zeit. Anders sieht dies auf dem Lande aus, wo viele Kinder hart auf den Feldern mitarbeiten müssen. Freilich gibt es auch in der Stadt arbeitende Kinder; doch sind dies meist Strassenverkäufer oder Helfer auf den Marktplätzen, die oft leider auch keine Schule besuchen. Wie verschieden Kinder doch aufwachsen, zeigte sich mir diese Woche wieder auf der Fahrt zum lokalen Markt, wo ich dringend Stoff kaufen musste. Während der erste Teil der Fahrt durch die besseren Stadtviertel führte, zeigte der zweite Teil ein Bild des Elends, von dem man sich kaum eine Vorstellung machen kann, wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht. 

Ansonsten konnten wir, wie es bis jetzt zumindest scheint, unser Wasserproblem lösen. Unser Wasser wird mittels einer Pumpe aus 37 m Tiefe in einen auf einem ca. 10 m hohen Eisengerüst fixierten 10‘000 lt fassenden Kunststofftank gepumpt, von wo aus es in die einzelnen Häuser fliesst. Leider hatte der Tank seit 2 Wochen ein Leck, welches Willi von aussen mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material abzudichten versuchte. Leider hat die Reparatur dem Wasserdruck nicht ganz standgehalten, so dass wir bereits nach einem neuen Tank Ausschau hielten, was natürlich die auch nicht einfache Montage beinhaltet hätte. Schlussendlich fand Tarcisio einen Spezialisten, der mit einer Pistole, ähnlich einer grossen Heissklebepistole, wie sie angeblich auch die Bodenleger bei uns benutzen, bei leerem Tank durch Erwärmung und mit neuem Kunststoffmaterial den Riss schliessen konnte, Bis heute (das sind jetzt 24 Stunden später) scheint es dicht zu halten und dies auch bei vollem Tank (10 t)! 

Morgen fährt Willi mit Tarcisio nochmals nach Matala (200 km), wo sie für die Schreinerei bereits vergangene Woche Holz (Rohmaterial) ausgesucht haben, um die Lieferung zu organisieren und natürlich auch die Hälfte des Betrages für die Sägearbeit bar zu bezahlen. Das Letztere ist hier üblich für jegliche Arbeit unter dem Motto „traue niemandem“, was im finanziellen Bereich leider auch zutrifft.  

Ich werde nächste Woche in einem nahe gelegenen Bairro zwei Kurstage in Ernährung haben. Da sich über 50 Personen angemeldet haben, muss ich den Kurs doppelt führen, da es ja nicht bei der Theorie bleiben soll. Gestern machte Schwester Leonore auf dem Weg in den Heimaturlaub nach Spanien Station bei uns. Sie ist die überaus engagierte Ordensfrau, auf deren Station Willi kürzlich die Solaranlage repariert hat, während ich mit den Mädchen gearbeitet habe. Gleichzeitig kam zufällig auch Elisabeth, die inzwischen oft erwähnte Pflegefachfrau von der sich in unserer Nähe befindenden evangelischen Krankenstation vorbei. Die beiden Frauen kennen sich bereits von früheren Jahren, da sie während des Krieges in zwei benachbarten Stationen gearbeitet haben. Wir drei sind alle in ungefähr demselben Alter, was uns bei einem gemütlichen Kaffee erlaubt, spasseshalber den Frauenpower in der zweiten resp. dritten Lebensphase hochleben zu lassen. Ich finde solche Treffen auch deshalb schön, weil keine konfessionellen Mauern dazwischen stehen. Wenn der Krieg etwas Positives hatte, dann vielleicht, dass er Personen, die sich für andere eingesetzt haben auch über konfessionelle Schranken hinaus zusammengeschweisst hat.

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