Sonntag, 31. Januar 2016


31. Januar 2016 

Die Sonne scheint dem Sonntag Respekt zu zollen, scheint sie doch schon seit dem frühen Morgen und die anfängliche Nebelwand hat sich zu Cumuluswolken geformt. Gut, ab und zu verdecken vereinzelt dunkle Wolken für einen Moment die Sonnenstrahlen und erinnern an die vergangenen Tage mit sehr vielen Regenschauern, die sich manchmal über Stunden hinziehen konnten und auch merklich kühlere Temperaturen mit sich brachten, so dass wir nachts eine zusätzliche Wolldecke beanspruchten. Das Klima hier in der Umgebung von N’haera, ca. 850 km nordöstlich von unserem üblichen Domizil scheint wirklich etwas rauer zu sein. Mag sein, dass die Topografie eine Rolle spielt, denn die Höhe ü.M. kann kaum dafür verantwortlich sein, liegt N’haera doch ungefähr 300 m tiefer als Lubango. Aber die Gegend präsentiert sich in einer unendlich weiten Hochebene, die sich zurzeit in üppigem Grün bis zum Horizont erstreckt. Gegen Norden zum Kongo hin scheint die Gegend nur schwach besiedelt zu sein, ebenso zur Sambischen Grenze hin. Obwohl die Region des Wasserreichtums wegen eigentlich recht fruchtbar ist, wird vorwiegend nur Mais angebaut, der zwar bis zur Reife schon vom Wasser abhängig ist; doch fehlen praktisch Gemüsekulturen. 

Der Reichtum des Wassers liegt wohl auch in den vielen Flüssen, die das Gebiet durchfliessen. Allerdings hat dies auch eine negative Kehrseite, denn an einigen Flussläufen ist eine spezifische kleine Fliege heimisch, welche die Filariose auf den Menschen übertragen kann, eine Krankheit, welche u.a. mit der Zeit zur Blindheit führt, weshalb in der betroffenen Gegend viele blinde Menschen leben. Blind sein bedeutet für einen Afrikaner jedoch in den meisten Fällen zum Bettelstab zu greifen; wenn er Glück hat wird er von einem Kind zum Marktplatz oder an die Strasse geführt, welches ihm bei seiner „Arbeit“ hilft. Als ich im Wissen um die Folgen einer solchen Infektion auf der Fahrt nach Andulo an einem der betroffenen Flüsse die Frauen ihre Wäsche im Fluss waschen sah, während ihre Kinder daneben spielten, lief es mir kalt über den Rücken! Zwar gäbe es eine Möglichkeit zur Behandlung und sogar zur Ausrottung dieser Krankheit; diese würde sich aber über Jahre erstrecken, weshalb eine entsprechende Kampagne vom Staat nötig wäre. Doch sind die Bittsteller in dieser Beziehung bis heute auf taube Ohren gestossen, obwohl im Osten Afrikas die Krankheit aufgrund der entsprechenden intensiven Massnahmen ausgerottet scheint. 

Im Allgemeinen scheinen die Menschen hier auch sonst nicht vom Reichtum verwöhnt zu sein, ausser den wenigen Ausnahmen, die von den nahe liegenden Diamantenminen profitieren (meist auch gefährliche illegale Geschäfte). So sind denn die meisten Wohnbauten aus einfachen Lehmziegeln mit einem mit Steinen beschwerten Wellblechdach. Die Maisfelder werden auf alt herkömmliche Weise in mühsamer Handarbeit mit der Hacke bearbeitet. Da muss oft die ganze Familie mittun; vor allem für die Pflanz- und Erntezeit ist es nicht unüblich, dass die ganze Familie mit Kind und Kegel und Kleinvieh (Kühe werden in dieser Region keine gehalten) auf entfernte Felder übersiedelt und dort für die erforderliche Zeit in einer Hütte haust. Dass darunter oft auch der Schulbesuch der Kinder leidet, liegt auf der Hand. Doch scheinen hier sowieso nicht alle Kinder den Luxus des Schulbesuches zu geniessen, denn im Landesinnern fehlen oft auch die Lehrer. Aber nicht nur letztere unterrichten lieber in den Städten, wo das Leben eben andere Möglichkeiten bietet, sondern auch in der übrigen Bevölkerung ist die Landflucht infolge der oft fehlenden Infrastruktur in abgelegenen Gebieten ein grosses Problem. Fehlende Infrastruktur bedeutet: kein Trinkwasser und keine Stromversorgung, meist auch keine Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung sowie oft fehlende Möglichkeit für den Schulbesuch der Kinder oder die Konsultation in einem Gesundheitsposten. Dies macht die Landflucht in einer gewissen Weise verständlich, auch wenn das Resultat oft die grössere Misere ist. 

Unsere Aufgabe hier ist es – soweit in der kurzen Zeit überhaupt möglich – die Infrastruktur dieser Missionsstation, die infolge der Kriegswirren 40 Jahre verwaist war und vor 2 Jahren von den La Salette Patres übernommen wurde, wieder herzustellen. Ein grosser Schritt in dieser Richtung wurde bereits im letzten Jahr bewerkstelligt, indem es im Haus wieder fliessendes Wasser gibt; allerdings fehlen noch Lavabos, sie werden zurzeit einfach durch auf dem Boden deponierte Waschbecken ersetzt, in welche das Wasser aus einem Hahn in der Wand fliesst. Doch haben wir diesen Luxus bereits schätzen gelernt. Willis Aufgabe ist vor allem die Elektroinstallation in diesem grossen Haus sowie in der daneben liegenden Kirche. Wir sind in dieser Arbeit ein rechtes Stück vorangekommen. Allerdings machten die heftigen Regenschauer das Vorankommen oft etwas mühsam, weil wir infolge der mancherorts fehlenden Fenster die alten Holzläden schliessen mussten und wir als Folge im Dunklen sassen, sodass wir dann auf Stirnlampe und andere Taschenlampen zurückgreifen mussten um die Arbeit fortzusetzen. Dass das Dach auch nicht mehr überall dicht ist, kam besonders Tarcisio zu spüren. Zum Glück stand sein Bett etwas abseits vom Defekt im Dach, doch rechnete er damit, dass das Unterdach, welches in der Zwischenzeit durchnässt und massiv bauchig herunterhing, einbrechen könnte, was dann aber zum Glück ausblieb. 

Morgen fahren wir nochmals nach Andulo, der ca. 40 km entfernten nächsten grösseren Ortschaft, um Einiges an Material einzukaufen, sofern wir da was finden. Zum Glück haben wir ja das meiste, besonders Elektromaterial mitgenommen in unserem Landcruiser, der bis aufs Dach vollbeladen war. Eigentlich wollten wir diese Einkäufe gestern Samstag erledigen. doch als wir nach Andulo kamen, waren alle Geschäfte geschlossen, da gerade Fastnachtsumzug und Tanzwettbewerbe angesagt waren. Im ersten Moment dachte ich als Europäerin: Wie kann man ob all dieser Probleme an Fastnacht denken und vielleicht spielte auch etwas Frustration mit, da ich endlich einen Spiegel erstehen wollte, nachdem ich bereits seit einer Woche ohne auskommen musste. Doch dann musste ich meine Einstellung korrigieren: Wieso sollen diese Menschen sich nicht auch freuen dürfen und trotz ihrer Not tanzen und lachen können, vor allem wenn du siehst mit welcher Begeisterung die Gruppen ihre Tänze aufführten! Diese Intensität von Lebensfreude wirkt tatsächlich ansteckend. Selbst heute Morgen in der Kirche griff diese Freude und Begeisterung bei den sakralen Tänzen auf die übrigen Gottesdienstteilnehmer über. Wir Europäer könnten uns von dieser echten Fröhlichkeit trotz Armut ein Stück abschneiden!

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