Sonntag, 26. September 2021

 

26. September 2021 

 



Ich sitze am offenen Fenster und geniesse den neu erwachenden Tag in der ebenfalls neu erwachenden Natur zu Beginn der Regenzeit, wie es der bereits in Blüte stehende Baum zeigt. Dahinter allerdings erinnern die Ruinen an den Grund unseres Aufenthaltes hier. Doch konnten wir mit Hilfe unserer Equipedoch schon einigem ein anderes Aussehen, nicht nur aussen sondern auch innen verschaffen. Aber noch fehlt vieles. So stimmt auch der Anfangssatz nicht ganz, denn es gibt gar keine Fenster mehr im alten Patreshaus, wo Willi und ich untergebracht sind, sondern nur noch aus Brettern gezimmerte Fensterläden wie in einer alten Alphütte. 

Dass das Leben im Landesinnern nicht ganz einfach ist, zeigen uns auch die Menschen, die bereits früh morgens zu Fuss zu ihren Feldern unterwegs sind, während wir mit dem Landcruiser zur 8 km entfernten Siedlung Tchinjenje fahren, um für unseren mitgebrachten kleinen Generator Benzin zu holen, damit die Arbeiter ihr Werk fortsetzen können. Die meisten der Menschen, die oft schon mehrere Kilometer zu ihren Feldern unterwegs sind, sind Frauen, auf dem Rücken ihre Kleinkinder gebunden und auf dem Kopf ein Bündel mit dem Nötigsten und dem einzigen Werkzeug für ihre Feldarbeit – der Hacke. Damit bearbeiten sie den Boden bis sie unter der heissen Nachmittagssonne wieder nach Hause zurückkehren. 

Die Infrastruktur auf dem Lande lässt wirklich zu wünschen übrig. Man kann tatsächlich nur das Allernötigste zum Leben erstehen, alles Weitere ist nur in einer grösseren Stadt erhältlich. Das fördert freilich auch die Landflucht. Dies wurde mir auch bewusst, als ich unter den Menschen, die zur Feldarbeit gingen, auch zwei wirklich alte Frauen mit ihren Hacken sah. Wahrscheinlich sind ihre Kinder alle auswärts in der Stadt, um sich dort ein neues Leben aufzubauen, was allerdings allzu oft auch scheitert und im Elend endet. Doch welches sind ihre Möglichkeiten auf dem Lande? Keine weiterführenden, geschweige höheren Schulen, keine Arbeitsplätze, keine Infrastruktur, sprich Wasser- und Stromversorgung, keine Internetverbindung oder wenn überhaupt zu für sie nicht erschwinglichem Preis. So müssen die Alten oft selbst ums Überleben kämpfen, denn eine Rente erhalten sie nicht. Auch ist die Gesundheitsversorgung auf dem Land sehr dürftig. So gibt es im Dorf Tchinjenje seit einiger Zeit ein sogenanntes Spital, das lediglich von einem Krankenpfleger geführt wird. Medikamente sind kaum vorhanden und die Frage stellt sich, was soll der Kranke mit einem Rezept, wenn im Dorf gar keine Apotheke existiert. So ersparen sich viele den Kilometer weiten Fussweg dahin, was im Ernstfall dann auch tödlich enden kann. Statt eines Spitals hätte ein Gesundheitsposten mit Abgabe von Medikamenten den Dienst an der Bevölkerung besser erfüllt. Auch Zahnprobleme werden einfach mit dem Ausreissen des schmerzenden Zahns gelöst, denn wer kann sich schon den Weg in die Stadt und die Kosten bei einem der wenigen Zahnärzte leisten! Was der Landfluch auch noch in die Hände spielt sind die fehlenden Absatzmöglichkeiten landwirtschaftlicher Produkte, vor allem der grossen Distanzen wegen. Entweder sind die Strassen so schlecht, dass in der Regenzeit kein Durchkommen mehr möglich ist oder es stehen keine Transportmittel zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung oder es fehlen Diesel oder Benzin. So gab es die ganze vergangene Woche keinen Diesel in der gesamten grösseren Region. Dies alles motiviert nicht, viel mehr als für den Eigenverbrauch anzupflanzen, da ja sowieso alles nur in mühseliger Handarbeit getätigt werden muss. Auch werden praktisch keine Kleinkredite vergeben. Die Anschaffung besserer Arbeitsgeräte würde allerdings auch etwas Fachkenntnisse voraussetzen, wobei wir wieder bei der Schulbildung wären. So schliesst sich der Kreis, wie eben auch in so vielen anderen Bereichen.

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