Sonntag, 5. September 2021

 

Sonntag, 5. September 2021 

Auf den 1. September wurde die cerca sanitária, also der „Zaun“ der wegen der Pandemie um die Hauptstadt Luanda verhängt worden war, aufgehoben. Nachdem die Menschen die letzten 1 ½ Jahre nur mit Spezialbewilligung in die Stadt ein- oder ausreisen konnten, benutzen nun viele dieses WE um Verwandte oder Bekannte ausserhalb zu besuchen. Gleichzeitig wurde auch die obligatorisch verhängte Quarantäne bei negativem Testergebnis fallen gelassen. Hingegen können Ausländer mit Touristenvisas immer noch nicht einreisen, was beispielsweise unsere Kollegin Rebecca betrifft, die jeweils für 2 Wochen nach Angola kommt, um im evangelischen Missionsspital Fistelfrauen zu operieren oder auch unseren Freund Rolf, der uns zum wiederholten Mal gerne für ein paar Wochen unterstützt hätte. 

Das Zentrum unserer Stadt Lubango hat sich während unserer Abwesenheit positiv verändert. Zum Zeitpunkt unserer Abreise waren viele Strassen wegen Bauarbeiten gesperrt. Nun zeigen sich alle Hauptachsen in neuem Glanz: verbreitert und frisch asphaltiert mit gut begehbaren Trottoirs beidseitig, während es früher absolut undenkbar gewesen wäre, mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen durchzukommen. Natürlich mussten für die Realisierung auch mehrere Häuser, sprich Hütten, weichen. Wie die betreffenden zwangsevakuierten Bewohner dafür entschädigt wurden, steht freilich auf einem anderen Blatt. Positiv zu vermerken ist auch, dass entlang dieser Strassenzüge kaum mehr Abfall liegt, was in den peripheren Elendsvierteln leider immer noch der Fall ist. Vor allem in der Hauptstadt Luanda sind in einigen Vierteln die Menschen völlig zugemüllt. Dass darunter auch die Wasserqualität leidet, liegt auf der Hand. Hinzu kommt noch die allgemeine Wasserknappheit. Wir haben das Glück, dass die Bohrung auf unserer Station immer noch genügend frisches Wasser fördert, denn die Zufuhr von der Stadt funktioniert praktisch nicht mehr. Vielerorts sind die Quellen versiegt und die Ziehbrunnen fördern nur noch Schlamm, sofern sie nicht ganz ausgetrocknet sind. Schlimm ist für viele auch die Nahrungssituation. Infolge der letzten Trockenperiode, vor allem aber auch wegen der anderweitig bedingten Inflation und der zusätzlichen Arbeitslosigkeit wegen der Pandemie können sich viele kaum den täglichen Maisbrei leisten und müssen sich mit einer Mahlzeit täglich begnügen. Ein Beispiel möge die Inflation veranschaulichen: 1 Sack Reis (25 kg) kostete bei unserem ersten Aufenthalt 2013 2400 Kwz, vor unserer Abreise im März 2019 war er bei 10‘500 Kwz, jetzt liegt der Preis bei 16‘000! Mit dem Maismehl sieht es nicht besser aus. Oder noch der Vergleich beim Speiseöl: der Karton Oel (12 lt.-Flaschen) lag 2019 bei 6000, jetzt haben wir dafüt 17‘400 Kwz bezahlt.

Diese Situation fördert freilich auch die Kriminalität. So wurde Tiago, dem noch 1 Jahr in seiner Ausbildung zum Lehrer fehlt und welche in seiner Freizeit auch als begabter Schneider oft bei mir im Nähsaal anzutreffen war, im November 20 auf dem Heimweg brutal von Banditen überfallen. Dabei fiel er in ein Loch, wobei er sich 2 Halswirbel brach und mehrere Rückenwirbel stauchte. In der Folge war er während 3 Monaten im Zentralspital u.a. mit einer Halskrause ans Bett gefesselt, kaum auszudenken bei den Verhältnissen in diesem Spital! Weil ja die hiesigen Spitäler keine Essensabgabe kennen, musste während diesem Zeitraum täglich jemand von der Familie ihm das Essen bringen und in seinem Fall auch eingeben. Vor allem auch aufgrund der Distanz zum Spital wird das für viele zu einem finanziell nicht verkraftbarem Aufwand. Viele Angehörige suchen dann Unterschlupf bei Verwandten oder Bekannten in der Stadt. Früher haben auch viele einfach vor dem Spital campiert, was meines Wissens heute glaub nicht mehr möglich ist.

Wir haben Tiago nun bei Elisabeth vorgestellt für eine Physiotherapie-Behandlung und ihm eine neue Brille besorgt, die er sich selber nicht leisten konnte. Zur Erinnerung: Elisabeth ist die Berner Krankenschwester, die seit über 40 Jahren in Angola tätig ist und u.a. in der ambulanten Krankenstation der evangelischen Mission eine Physiotherapiestation aufgebaut hat. 

Morgen fahren wir in der Früh nach Quinjenje, um die Lage dort zu analysieren, damit wir die begonnenen Projekte dort (Knabeninternat, das ehemalige Laienhelferhaus mit neuen Unterkunftsmöglichkeiten und vor allem auch die Krankenstation) endlich fertig erstellen können.


bettelnde Frau am Strassenrand


viele können sich leider gesunde Nahrung nicht mehr leisten

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.